Es gibt Jahre, die machen einfach weiter wie bisher. Und es gibt Jahre, in denen etwas ins Rutschen kommt, ohne lautes Drama, ohne großen Knall – eher leise, aber spürbar. 2025 war für mich so ein Jahr. Ein Jahr, in dem ich gemerkt habe, dass Fotografie nicht einfach „ein Teil meines Lebens“ ist, sondern ein Ort, an dem ich innerlich ankomme.
Vielleicht ist es das, was ich am Jahresende besonders stark fühle: Fotografie ist nicht Leistung. Sie ist kein Projekt, das man abhakt. Es geht nicht um Likes auf Instagram – Fotografie ist der Raum, in dem ich stiller werden kann und mir selbst näher komme. Das mag ich an Fotografie.
Aus diesem Grund habe ich mich auch entschieden mein Gewerbe in diesem Jahr aufzugeben und mich ausschließlich meiner „Fotografie“ zu widmen.
Paul Sanders Buch Im Augenblick war dabei eine große Inspirationsquelle, es ist eine Art Erinnerung daran, bewusst zu bleiben.
Inmitten von Arbeitsdruck, Geschwindigkeit und „immer weiter“ habe ich verstanden, was Fotografie für mich bedeutet: Sie ist meine Balance.
Neue Bildbände – neues Sehen
In diesem Jahr sind einige neue Bildbände bei mir eingezogen, die mein Sehen verändert haben.
Habitat von Anne Schönharting ist für mich ein Buch, das still wirkt und lange nachklingt. Anne hat über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Menschen und ihre Wohnungen in Berlin-Charlottenburg fotografiert – nicht als „Schöner-Wohnen“-Story, sondern als leise, genaue Beobachtung von Menschen in ihrem persönlichen Umfeld. In ihren sorgfältig komponierten Bildern begegnen Momenten, in denen der realitätsnahe Alltag und individuelle Präsenz zusammenfinden. Die Fotografin arbeitet mit Respekt, natürlicher Distanz und Sensibilität, und schafft so eine Bildwelt, die mich daran erinnert hat, wie stark stille Fotografie sein kann: ohne Show, ohne Effekte, mit Haltung und Aufmerksamkeit. Vielleicht spricht mich dieses Buch so an, weil ich mir selbst oft erarbeiten muss, mir diese Ruhe zuzugestehen – in meiner eigenen Arbeit und in meinem Sehen.
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Francesca Woodman begleitet mich auf einer ganz anderen Ebene. Ihre Arbeiten sind keine lauten Gesten, keine Effektsuche – sondern eine radikale, unmittelbare Nähe zu sich selbst. Verletzlichkeit, Körperlichkeit, Identität, Auflösung und Präsenz zugleich. Sie zeigt all das ohne Schutzschicht. Kein Spektakel – eher eine tiefe, langfristige Resonanz. Genau diese Art von Ehrlichkeit und Konsequenz inspiriert mich heute mehr denn je. Ihre Nähe zu sich selbst, ihre Verletzlichkeit, ihre Kraft – das bleibt. Genau so etwas inspiriert mich heute stärker als alles andere.
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Ich habe dieses Jahr viel über Fotografie gesprochen. Ich habe Zweifel geteilt, Kritik zugelassen, andere Perspektiven gehört. Und gemerkt: Austausch hilft.
Ostkreuzschule für Fotografie
Ein Mittelpunkt meines Jahres ist das Jahresseminar bei Anne Schönharting an der Ostkreuzschule in Berlin. Hier geht es um die Auseinandersetzung was oft unbequem ist und mich aus meiner Komfortzone lockt.
Ich werde mit meinen Bildern konfrontiert, mit meinen Entscheidungen, mit meinen Mustern. Warum fotografiere ich etwas? Warum halte ich fest? Diese Fragen tauchen dort immer wieder auf. Und sie sind manches Mal anstrengend – aber sie öffnen auch Türen.
Es geht nicht um Technik sondern um Konzept und Bildsprache. Es geht um Haltung. Es geht darum, den eigenen Blick ernst zu nehmen und weiterzuentwickeln. Was mir besonders viel bedeutet: die Menschen dort mit ihren unterschiedliche Biografien, ihren Perspektiven, ihren Lebenswegen – Der Austausch, die Diskussionen, das gemeinsame Zweifeln und Weiterdenken sind für mich unglaublich wertvoll. Ich merke, wie mein Sehen sich verändert und wie ich mutiger werde.
Ich danke Anne Schönharting für die intensive Begleitung, ihren Impulsen und ihrer Art der Auseinandersetzung mit meiner Fotografie, das hat meinen Blick geschärft, meine Arbeitsweise verändert und mich ermutigt, neue fotografische Richtungen einzuschlagen.
Auch im nächsten Jahr möchte ich diesen Weg weitergehen.















Ein Trip nach Paris
Der Paristrip war ein spontaner Impuls – und im Rückblick einer der Momente des Jahres, die mich wirklich getragen haben. Vier Tage mit Gleichgesinnten aus der Ostkreuzschule, vier Tage Austausch, Inspiration, gemeinsames Unterwegssein – und vor allem vier Tage Sehen.
Paris hat eine besondere Energie. Nicht nur wegen Notre-Dame, Eiffelturm, Fluss und Architektur, sondern wegen der Menschen, die dort leben, arbeiten, sitzen, gehen, reden, warten, lachen, einsam sind, sichtbar sind und gleichzeitig verschwinden. Straßenfotografie dort bedeutet: aufmerksam sein, offen bleiben, nicht jagen, sondern finden lassen.
Begegnungen – flüchtig und doch bedeutsam. Gespräche, Lachen, Nachdenken. Und ja: auch voller kleinen Genussmomenten, gutem Essen, Kaffee, einem Glas Wein zu viel vielleicht. Zwischen all dem: Kameras, Bilder, Gedanken, Fragen. Leben.
Paris war für mich eine Erinnerung daran, wie gut es tut, aus dem Alltag auszubrechen, sich ganz auf Fotografie einzulassen und Menschen, Orte und Situationen wirklich wahrzunehmen. Kein Pflichtprogramm, kein „Projekt“, sondern ein sehr lebendiger, inspirierender Abschnitt des Jahres. Einer, der geblieben ist.





















Johanna
Es gibt Begegnungen in der Fotografie, die bleiben. Nicht, weil sie spektakulär sind. Sondern weil sie sich kontinuierlich weiterentwickeln. Johanna ist für mich so eine Begegnung.
Seit sechs Jahren begleitet sie meine fotografische Arbeit – oder vielleicht ist es richtiger zu sagen: Wir begleiten uns gegenseitig. Was einmal als einzelnes Shooting begann, wurde zu etwas, das sich nicht planen lässt. Etwas, das wächst, wenn man es lässt. Etwas, das Vertrauen braucht. Und Zeit.
Diese Zeit ist spürbar.
Johanna bringt eine besondere Mischung mit: Stärke und Verletzlichkeit, Klarheit und Zögern, Präsenz und Abwesenheit. Und ich merke immer wieder, wie sehr mich genau das beschäftigt und inspiriert. Jedes gemeinsame Fotografieren fühlt sich weniger als Shooting an sondern mehr als gemeinsame Begegnung.
Ich glaube nicht, dass Fotografie heilt. Das wäre vermessen. Aber ich glaube daran, dass Fotografie Räume öffnen kann. Räume, in denen man ganz bei sich sein kann. Räume, in denen man sich zeigen kann. Genau das passiert mit Johanna.
Vielleicht ist das der größte Wert unserer gemeinsamen Zusammenarbeit: Sie selten geplant, dafür ist sie oft authentisch.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir Johanna vor sechs Jahren über den Weg gelaufen ist.












Fragen, die wichtig sind – und bleiben dürfen
Ein Satz von Thomas Fühser hat mich zum nachdenken angeregt:
Welche Arbeit wird noch Bedeutung haben, wenn viel Zeit vergangen ist?
Was für eine Frage – Eine Frage die sortiert.
Sie verhindert, dass ich mich nur in Plattformlogiken verliere. Und sie hilft mir, mutiger in Projekten zu denken, die nicht schnell, aber wichtig sind.